Es gab auch damals Bug-Feste (Fallout, Fallout 2 und als eines der letzten vor-Steam-Spiele, Vampire Bloodlines bilden eine nette Reihe), aber sie waren seltener. Und es gab auch gegenteilige Ausnahmeerscheinungen, die heute praktisch ausgestorben sind. Für American McGees Alice gab es meiner Erinnerung nach einen Patch – speziell für Nutzer von kaum verkauften Matrox Karten und da auch nur für ein optisches Problem. Bei und Privateer 2 weiß ich bis heute nicht, was der Patch überhaupt bringen soll und der für einen Tick mehr Joystick-Kompatibilität in Schleichfahrt wurde entspannt auf einer Diskette geliefert (ja: geliefert), anstatt das komplette Spiel erneut herunterladen zu müssen. Musste bei Siedler 2 was gepatched werden? Erforderten Balancing-Fehler in Transport Tycoon ein eingreifen? Verbesserten die Entwickler die Performance von Anno 1602? Gab es ein Exklusiv-Vorbesteller-Skin-Pack für Dethkarz oder wurde die Polizei-KI in NFS:HP nachträglich auf das Niveau gewisser späterer Teile beschnitten? Nicht das ich wüsste.
Die durchschnittliche Release-Qualität war, bis kurz nach der Jahrtausendwende, deutlich höher als heute, auch wenn der Durchschnitt natürlich nicht alles beschreibt. Aber wer Machwerke wie z.B. Gothic III auf ahnungslose Kunden losgelassen hat, musste dann halt auch damit leben, dass die Kritiken negativ und Verkaufszahlen weit unter dem Potenzial des Inhalts ausfallen und man auf Folgeprojekte in gleicher Zusammensetzung lieber verzichtet. Auch bezüglich des Schwierigkeitsgrads wurde zwar mehr mitgemacht beziehungsweise selbstablaufendes Gameplay wurde eher als negativ empfunden und der Kauf einer Komplettlösung oder gar einer Cheatliste im Laden war mit einer gewissen Peinlichkeit verknüpft (die gleichen Tipps in einer PCG natürlich nicht, die hat man ja "wegen der Artikel" gekauft^^), aber auch das hatte Grenzen deren Überschreitung man z.B. einem Discworld sehr übel genommen hat. Von daher blieb Entwicklern, die erfolgreich bleiben wollen, damals gar nichts anders übrig als ihren Release Candidate auf ein Niveau zu bringen, das viele heutige Spiele erst nach 2-3 Quartalen erreichen. Aus Gamer-Sicht ist das natürlich nicht automatisch eine bessere Zeit, denn dieser Aufwand in Kombination mit damaligen Vertriebswegen sorgte auch dafür, dass man das Spiel relativ zum Entwicklungsabschluss erst 2-3 Quartale späte kaufen konnte. Netto stellen die heutigen Day-1-Patch-Orgien einfach kostenpflichte Public- anstelle früherer Closed-Betas da.
Aber das ist halt kein Grund die damalige Verzögerung mit der heutigen Online-Gängelung in einer Collectors Edition zu bündeln, die ein halbes bis dreiviertel Jahr nach Launch immer noch kein fertiges Spiel enthält. Sowas gab es früher definitiv nicht und ich glaube da hat auch heute keiner gezielt nach gefragt.
Das sehe ich wie gesagt etwas anders. Spiele aus den 90ern hatten tendenziell andere Probleme als heute, aber keineswegs weniger.
Da kam es gerne vor, dass Spiele mit Grafikkarten bestimmter Hersteller garnicht oder nur sehr schlecht liefen, eben weil zu der Zeit jeder Hersteller noch sein eigenes Süppchen gekocht hat (z.B. 3DFX mit Glide).
Das gleiche Theater mit den Soundtreibern, kann mich noch gut erinnern wie schön das war damals in den Settings von Duke 3D auf DOS-Ebene sämtliche Kombinationen bei den Sound-Einstellungen durchzuprobieren, bis die Audiopausgabe hoffentlich mal lief. War der Rechner neuer als das Spiel, hatte man eine gute Chance, dass die Soundkarte überhaupt nicht offiziell unterstützt wurde und man musste hoffen, dass es mit der Auswahl eines Vorgängermodells oder einer anderen Soundkarte dann irgendwie ging.
Es ist zu Windows 95/98 Zeiten auch durchaus vorgekommen, dass die reine Installation einer original Spielesoftware mal eben das ganze System zerschossen hat, einfach nur weil es für einen anderen Updatestand oder eine andere Version des OS entwickelt wurde und deshalb Dinge verändert hat, die Windows gebrickt haben.
Obendrein waren Spiele bis Mitte der 90er auch gerne an die Geschwindigkeit der CPU gekoppelt, was dazu führte, dass sie mit moderneren Prozessoren nicht flüssgier, sondern schneller liefen, was schnell zur Unspielbarkeit führen konnte. Dafür gabs zu 386er/486er Zeiten diese schönen Turbo Schalter am Case des CPs, um den CPU-Takt zum drosseln. Eine wirklich gute Lösung war das aber auch nicht.
Probleme hatte man auch gerne in den ersten onlinefähigen Spielen z.B. weil das Spiel nur externe Modems kannte und nicht wusste, was so eine moderne ISDN Karte im Rechner zu suchen hat.
Und von dem Theater mit der Unterstützung für Joysticks und Gamepads fange ich erst garnicht an....
Fun Fact am Rande: Die Releaseversion von Jedi Knight 1 (1997) lief damals mit invertierter Maus, was sich nicht in den Optionen umstellen ließ. Dafür gab es aber eine Option, um beim Mausinput Rechts und Links zu vertauschen (ja, ernsthaft!). Und zu der Zeit konnte man so ein Problem nicht mal eben über die Treibersoftware der Maus umgehen.
Mein Fix für das Problem war damals, die Option für das Vertauschen von Rechts und Links zu aktivieren und gleichzeitig mit um 180 Grad gedrehter Maus das Spiel zu steuern (ja, die Maustasten habe ich dann mit dem Handballen bedient).